Zwölf Tage nach dem Eingang der Beschwerde gegen das von der BILD-Zeitung veröffentlichte Nacktfoto eines 16-jährigen 33-fachen Vergewaltigungsopfers hat der Deutsche Presserat den Eingang schriftlich bestätigt. Der Sachverhalt würde in Hinsicht auf die Konformität bezüglich des Pressekodex geprüft.
Ziele und Aufgaben des Presserates
Zu den Aufgaben des Presserates gehören insbesondere das Eintreten für die Pressefreiheit, die Wahrung des Ansehens der deutschen Presse sowie die Beseitigung von Missständen im Pressewesen.
Der Presserat teilt im Schreiben vom 10.06.2016 mit, dass meine Beschwerde geprüft würde. Es würden nur die Artikel geprüft, die der Beschwerde beigefügt sind.
1. Instanz: Offensichtliche Unbegründetheit
Der Deutsche Presserat teilt mit, dass bei offensichtlicher Unbegründetheit ein abschließender Bescheid inklusive meiner Kontaktdaten [Anm. d. Red.: u. a. inkl. meiner privaten Wohnanschrift] an mich und die betreffende Redaktion versandt wird.
2. Instanz: Potentielle Begründetheit
Wird die Beschwerde nicht auf Grund offensichtlicher Unbegründetheit verworfen wird die Redaktion der BILD-Zeitung zur Stellungnahme aufgefordert. Darüber erhalte ich Mitteilung und in diesem Fall wird meine Beschwerde inklusive meiner Kontaktdaten an die Redaktion versandt.
Drei Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen
Stellt der Presserat einen Verstoß gegen publizistische Grundsätze fest, kann ein redaktioneller Hinweis, eine Missbilligung oder bei schweren Verstößen gegen den Pressekodex eine Rüge ausgesprochen werden.
Aus dem dem Schreiben beigelegten Faltblatt geht hervor, dass eine Rüge als öffentliche Rüge mit Abdruckverpflichtung oder als nicht-öffentliche Rüge, bei der z. B. aus Gründen des Opferschutzes auf Abdruck verzichtet wird, ausgesprochen wird
Verzicht auf Maßnahme möglich
Aus dem Faltblatt geht ebenfalls hervor, dass der Beschwerdeausschuss trotz begründeter Beschwerde auf eine Maßnahme verzichten kann, „wenn das betroffene Presseorgan den Fall in Ordnung gebracht hat (z. B. durch den Abdruck eines Leserbriefes oder eine redaktionelle Richtigstellung)
Tagungshäufigkeit des Deutschen Presserates
Ich wurde im Schreiben darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeausschuss ausschließlich ehrenamtliche Mitglieder angehören und dieser nur viermal jährlich tagen würde; Es ist mit einer entsprechenden Bearbeitungsdauer zu rechnen.
*Nachtrag vom 20.07.2016:
Beschwerde wird dem Ausschuss vorgelegt
Mit Schreiben vom 13.07.2016 teilte der Beschwerdeausschuss mit, dass die Beschwerde dem Beschwerdeausschuss zugeleitet wird, der das nächste Mal am 13.09.2016 tagen wird. Eine „offensichtliche Unbegründetheit“ ist damit ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Berlin konnte das entsprechende Bild im Rahmen der Ermittlungen noch auf Twitter feststellen. Ich selber habe gesehen, dass das Bild in beiden Onlineartikeln später ausgewechselt war, das Vorschaubild, das Twitter zeigte, zeigte jedoch noch länger das erste Bild des Opfers.
Hinweis zum Vefahren (§§ 8, 9 Beschwerdeordnung)
Im Schreiben lag auf einem separaten Blatt die Information bei, aus welchen acht Mitgliedern bzw. vier stellvertretenden Mitgliedern dieser Presseausschuss besteht.
Ich werde darauf hingewiesen, dass ich bei Verdacht der Befangenheit von Mitgliedern ein Ablehnungsgesuch stellen kann.
Die Ladung von Beteiligten sei nicht beabsichtigt. Sollte sich im Verlauf des Verfahrens etwas anderes ergeben, erhalte ich eine entsprechende Nachricht.
Werden geforderte Stellungnahmen nicht abgegeben, kann der Beschwerdeausschuss über die Beschwerde auch ohne Stellungnahme entscheiden.
Meine persönlichen Daten werden den Mitgliedern zur Vorbereitung auf die Beratung übermittelt.
Über die Beschwerde wird das Gremium in mündlicher Beratung, ersatzweise die Vorsitzende entscheiden, sobald die Sachaufklärung abgeschlossen ist.
BILD wird aufgefordert, Stellung zu nehmen
Die Redaktion erhielt eine Kopie der Beschwerde mit meiner Anschrift und der Aufforderung, sich zu äußern. Gleichzeitig regt der Presserat an, dass die Redaktion den Kontakt zu mir suchen kann um die Angelegenheit im beiderseitigen Einvernehmen zu lösen [vgl. § 6 Beschwerdeordnung].
Ich nehme an, dass dieser Briefinhalt ein Textbaustein ist, den der Presserat in jedes Schreiben einfügt. Erstens wäre – wenn überhaupt – das Ganze mit dem Opfer bzw. den Erziehungsberechtigten zu klären und zweitens waren die Bilder bei Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht mehr in den Online Artikeln eingebunden.
Verschwiegenheitspflicht der Beteiligten
Alle Unterlagen, die ich während des Beschwerdeverfahrens erhalte, seien vertraulich zu behandeln.
Richtlinie 8.2 | Der Opferschutz
Ein Zitat aus der dem Schreiben beigelegten Beschwerdeordnung:
„Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt. “
Um noch einmal „nur“ auf diesen Inhalt der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates einzugehen: Man kann davon ausgehen, dass weder das [minderjährige] Opfer, noch die Erziehungsberechtigten bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, das Nacktfoto eines minderjährigen Vergewaltigungsopfers kurz nach der Tat zu veröffentlichen.
Dabei ist es unerheblich, ob das Opfer den Bericht aufgrund von z. B. geographischen oder sprachlichen Gegebenheiten je zu Gesicht bekommen wird oder nicht. Diese Form des inhumanen Sensationsjournalismus ist in keiner Form tragbar, geschweige denn nötig. Sie darf nicht in einem Land, in dem die grundrechtlich verbürgte Pressefreiheit als Vorbild für andere Länder fungiert, durch Duldung solcher Aktionen unterstützt werden.
*Aktualisierung vom 24.10.2016: Der Presserat hat am 13.09.2016 eine Missbilligung gegen BILD Online ausgesprochen.